Mein Körper - Bild • Bewegen und Gestalten

Wochenendseminar mit Jean van Koeverden (Leitung)
und ab 6-8 Teilnehmern mit Gerlinde Thomassen (Co)

Ein Kreatives Tanzseminar in Kooperation mit der Kampagne "Körper - Kult - Kontraste" des Frauenbüros der Stadt Mainz

Informationen und Anmeldung

Theoretische Überlegungen zum Körper-Image

aus "The Facts, The Acts and your Feelings" von Dr. Michael Carrera, 1981
[1982 im Verlag Ullstein, übersetzt von Michael Herschel, ISBN 3-550-07710-6]

Das Körper-Image ist das Konzept, nach dem wir uns über unseren Körper orientieren: wie wir uns fühlen, wie er uns erscheint, und wie wir glauben, dass andere uns sehen. Das ist sehr subjektiv. Einige Menschen, die nach herkömmlichen Massstäben schön sind, können ein schlechtes Körper- Image haben und sich ewig unsicher über ihr Aussehen sein. Andere, die man konventionell als hässlich einstufen würde, können ganz in Einklang mit ihrem Körper sein.

Zutrauen und ein Gefühl von Sicherheit über das Recht des Körpers, so zu sein wie er ist, können einen gesunden und ganzheitlichen Ausdruck der Sexualität erleichtern. Zweifel, Angst und Unsicherheit über das eigene Körper-Image können ein erfüllendes Sexualleben behindern.

Das Körper-Image ist ein Teil - ein sehr intimer, aber nur eben ein Teil unseres Identitätssinnes. Denken wir darüber nach, wer wir sind, so denken wir an unsere Erfahrungen und Fähigkeiten, unsere Ziele und Frustrationen, unsere Erfolge und Niederlagen im Zusammenhang mit unserem Körper. Wir können so viel verändern, aber so wenig an unserem Aussehen im Adams- oder Evakostüm; da können wir nur unsere Einstellung zu dem ändern, was uns ins Auge sticht. Daher kann der Identitätssinn eines Menschen durch körperliche Veränderungen beeinflusst werden, bei Erkrankungen oder nach Operationen, durch Gewichtszunahme oder Gewichtsverlust, z. B. natürlich auch in der Schwangerschaft. Viele Menschen, die körperliche Veränderungen durch Krankheit oder Behinderung hinnehmen mussten, reagierten zuerst negativ, bis sie mit ihrem veränderten Körper zurechtkamen und wieder ein positives Körper- Image erlangten.

Worauf es ankommt ist, dass Sie sich selbst annehmen. Es ist halb so wichtig, wie Sie aussehen, verglichen mit dem, wie Sie dazu stehen. Andere Menschen reagieren eher auf Ihre Persönlichkeit als auf das, was sie, Ihrer Ansicht nach, über Ihren Körper denken könnten.

Mythen

Keine der folgenden Behauptungen ist wahr:

-           Körperlich attraktive Männer und Frauen haben für gewöhnlich auch viel Selbstvertrauen

-           Alle Kulturen haben die gleichen Ansichten über Körper-Image und körperliches Aussehen

-           Frauen kümmern sich mehr als Männer um ihr Körper-Image

Alter

Vom Augenblick der Geburt an beeinflussen die Erwachsenen das Körper-Image des Kindes und damit ihren Identitätssinn. Die Art, wie ein Kind gehalten, berührt, angeschaut wird und wie man mit ihm spricht, sagt ihm, ob es geliebt wird und eine richtige Persönlichkeit ist oder ob man es nicht billigt, da es einen Defekt hat. Da fängt das Kind an zu lernen, ob sein Körper in Ordnung ist.

Diese frühe Erfahrung beeinflusst die Haltungen und das Verhalten junger Menschen weitgehend in allen Lebensstufen. Junge Menschen, die über ihren Körper positive, bestätigende Aussagen erhalten und fühlen, dass sie geliebt werden, dass sie liebenswert und wertvoll als Personen sind, werden als Heranwachsende Liebe und Zärtlichkeit besser ausdrücken können, und sie werden sich weniger leicht selbstzerstörerisch verhalten oder ausbeuterisch anderen Menschen gegenüber sein.

Obgleich kleine Kinder bezüglich ihres eigenen und des Körpers ihrer Freunde sehr neugierig sind und obgleich sie früh Ähnlichkeiten und Unterschiede erfahren, stellt sich doch erst in der Pubertät das Körper-Image als wesentlicher Faktor des sich entwickelnden Selbstbildes heraus. Von Zeit zu Zeit im Lauf des Lebens scheint es zu verstärktem Interesse, manchmal zu intensiver Beschäftigung mit dem Körper-Image zu kommen.

In westlichen Kulturen lernen Jungen und Mädchen sehr früh, dass es auf das Aussehen ankommt. Aufmerksam überwachen sie die natürlichen biologischen Veränderungen während der Pubertät und interpretieren sie im Sinn der Ideale ihrer Kultur. Körpergrösse, Entwicklung von Brüsten und Genitalien, das Wachsen des Schamhaars, die Haut- und Haarfarbe, die Frisur, der Beginn der Menstruation und andere typische Veränderungen in der Entwicklung beeinflussen das Körper-Image junger Menschen und bei vielen auch den gesamten Identitätssinn. Sich später oder anders als die anderen zu entwickeln, wird nicht als individueller Unterschied erlebt. Viele werten es als ein Minus, darauf kann ein Verlust an Achtung vor sich selbst einsetzen. Das ist nicht übertrieben, da es in diesem Lebensabschnitt wichtig ist, dass man mit den Gleichaltrigen Schritt halten kann. Es ist ja diese Gruppe, die häufig festlegt, wie man auszusehen hat. Sie hat ihre eigene Sprache, ihre Kleiderordnung und ihre Sitten, und wenn ein junger Mensch es damit nicht aufnehmen kann, führt das möglicherweise zu einer ernsthaft negativen Auswirkung auf den Identitätssinn.

Erwachsene kämpfen auf ähnliche Weise mit ihrem Körper-Image, da auch sie mit wechselnden kulturellen Standards konfrontiert werden. Die Gesellschaft hat alle möglichen »Looks« gesehen, die mal »in«, dann wieder »out« waren, und die Mühe, die viele Menschen sich geben, um auf dem laufenden zu bleiben und »in« zu sein, zeigt, wie sehr die Identität von der äusseren Erscheinung beeinflusst wird und von dem Bild, das man von sich selbst hat. Dabei geht häufig die Individualität verloren. Viele Erwachsene sehen den Körper als das Selbst an und übersehen dabei, dass das Selbst eine Persönlichkeit ist, die zufällig auch einen Körper besitzt. Unglücklicherweise sind die Merkmale des Körpers für einige Leute zum Wesen der Persönlichkeit geworden. Vergleiche der eigenen Person mit künstlichen Schönheitsidealen beeinflussen die Menschen in Richtung auf ein bedauerliches und oft schmerzliches Selbstbewusstwerden: Sie werten sich selbst ab, wenn sie nicht den gerade aktuellen Anforderungen an die körperliche Schönheit genügen. Damit schädigen sie sich nur, und häufig werden sie solche Ängste ihr ganzes Leben hindurch nicht wieder los.

Frage: Mein Sohn sorgt sich sehr um seine Körpergrösse. Er ist kleiner als seine Freunde und spricht andauernd darüber. Kann ich ihn zu einem Arzt mitnehmen, so dass er ihn behandelt, damit das Wachsen bei ihm klappt?

Antwort: Ich finde, Sie sollten Ihrem Sohn sagen, dass Sie seine Sorgen verstehen und dass Sie die Bedeutung abschätzen können. Bei Jungen ist es - genau wie bei Mädchen -begreiflich, dass sie mit ihren Altersgenossen - was die körperliche Entwicklung angeht - mithalten wollen. Selbstachtung und Selbstannahme hängen davon ab, ob sie mit denen gemeinsame Erfahrungen austauschen können, und daher müssen Sie ein Ohr für diese Wünsche haben. Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht zum Arzt gehen. Der Arzt wird das normale Wachstumsmuster nicht beeinflussen wollen, solange kein körperlicher Grund für die Verzögerung des normalen Wachstums vorliegt. Ausserdem - wenn Ihr Arzt nicht besonderes Gespür entwickelt für das, was bei Ihrem Sohn emotional und sozial vorgeht - kann der Arzt in ihm den Eindruck erwecken, dass selbst die Medizin ihm nicht helfen kann. Hören Sie Ihrem Sohn immer zu, seien Sie offen, immer für ihn zu sprechen, versuchen Sie ihm nahezubringen, dass die Phasen des Wachstums verschieden sind und dass man es nicht überbewerten sollte. Ich glaube, das wird ihn erreichen. Wie so viele andere Fragen wird auch diese eines Tages sich von selbst gelöst haben - halten Sie also aus, und warten Sie auf das nächste Problem - es kommt bestimmt.

Kultur und Religion

Das Körper- Image wird von kulturellen und religiösen Zusammenhängen erheblich beeinflusst. Verschiedene Kulturen haben unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Körperteile beschaffen sein müssen, um gutes Aussehen hervorzurufen. Einige Kulturen schätzen fette, bei uns schätzt man schlanke Menschen; in einigen ist der Busen bei der Frau das ein und alles, wie z. B. in unserer, während er bei manchen afrikanischen Kulturen nur wenig zu sagen hat. Wegen der starken Betonung des Aussehens in unserer Kultur gibt es zwei verschiedene Probleme: Einmal sind wir alle stark beschäftigt mit der Frage, wie wir uns anderen darstellen, und das heisst im grossen und ganzen, wie wir uns anziehen, wie wir uns frisieren, welche Kosmetika wir benutzen. Zweitens geht es um das was darunter ist - wie wir aussehen, wenn all diese imageverbessernden Hilfsmittel wegfallen und wir mit anderen zusammen nackt sind. Beides sind Quellen der Angst, wenn es mit der Selbstidentität nicht stimmt. Gleich wie sie aussehen, können Menschen sich in Harmonie mit ihrem Körper befinden, zufrieden sein, wie sie sich anderen präsentieren - sofern sie sicher und sich ihrer Identität bewusst sind.

Während die Sorge um das Aussehen von einer ganzen Industrie ausgenutzt wird, kann die verborgene Angst vor der Nacktheit durch keine Hilfsmittel gelindert werden. Unser Erbe ist da gespalten. Die Geschichte aus dem Garten Eden des Alten Testaments hat viel dazu beigetragen, Nacktheit mit Sünde, Sex und Scham in Verbindung zu bringen. Solange sie nicht sündigten, fanden Adam und Eva es nicht nötig, sich anzuziehen. Und seit es Kirchen gibt, tendieren diese dazu, den nackten menschlichen Körper als etwas darzustellen, dessen man sich schämen müsste.

Auf der anderen Seite haben wir die grossartige künstlerische Tradition der Griechen, für die der nackte menschliche Körper nicht nur vollkommen normal und natürlich war, sondern auch ein Gegenstand von grosser Schönheit sein konnte. Die Griechen, die beim Sport ihre Kleider ablegten, scheinen den nackten Körper mit Fitness, Gesundheit und Selbstverwirklichung in Verbindung gebracht zu haben.

Diese beiden Traditionen laufen parallel, und so ist es kein Wunder, dass unser Geist über unseren Körper geteilter Meinung ist. Menschen, die die Idee erbten, der Körper sei etwas, dessen man sich zu schämen habe und das man abstossend finden müsse, sind nicht in der Lage, ihren eigenen und den Körper anderer zu schätzen, der eine Quelle des Genusses sein kann. Und das, obgleich sie wissen, dass zahllose Millionen von Menschen die andere Idee übernommen haben, und ihren Körper als Quelle des höchsten Vergnügens erlebten.

Das Sich-selbst-Annehmen in jeder Hinsicht ist ein Hauptfaktor, wenn man intime Beziehungen aufnehmen und die Fähigkeit entwickeln möchte, Liebe und Zärtlichkeit zu geben und zu empfangen. Schmerzhaftes Bewusstwerden des eigenen Körpers, das andauernde Gefühl, nicht ausreichend attraktiv zu sein das sind Probleme, die das Körper-Image und damit die Fähigkeit eines Menschen, sich vertrauensvoll und offen zu präsentieren, beeinträchtigen; sie wirken sich automatisch auf bestehende und anzuknüpfende Beziehungen aus.

Frage: Als ich schwanger war, machte ich mir wirklich Sorgen, mein Mann könnte mich fett und hässlich finden und sich nach einer anderen Frau umsehen. Glauben Sie mir es oder nicht: Er fand mich noch viel mehr sexy!

Antwort: Ich glaube Ihnen das. Einige Frauen fühlen sich unsicher und wenig attraktiv, wenn ihr Körper sich während der Schwangerschaft verändert, und sie meinen schliesslich, jedermann, ihr Mann besonders, fände das auch. Wie Sie andeuten, steckt meist nichts dahinter. Viele Partner empfinden ganz anders: Sie schätzen Sie nicht nach Ihrem Aussehen ein, sondern danach, wer Sie als Persönlichkeit sind. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Mann auf die Schwangerschaft seiner Frau so wie der Ihrige reagiert. Vielleicht haben Sie auch die glückliche Situation erlebt, wo die Verbundenheit Ihres Mannes mit Ihnen Ihre Ängste verschwinden liess.

Gefühle

»Für mich war es immer wichtig, mit jedem neuen Stil und jedem neuen Look Schritt zu halten. Ich dachte nie lange drüber nach, ob ich den eigentlich mochte oder nicht. Ich machte das einfach nach. Eines Tages merkte ich, dass ich nicht wusste, wer ich eigentlich war.«

»Wann immer ich das Gefühl habe, ich sehe gut aus, läuft anscheinend alles leichter für mich.«

»Lange Zeit gab ich nur darauf acht, wie ich aussah. Was ich dachte und tat, war

nur zweitrangig.«

»Jede kleine Gewichtsveränderung liess mich annehmen, mein Körper hätte sich verändert. Ich dachte wie besessen daran - an andere Dinge dachte ich kaum.«

»Die grösste Veränderung in meinem Leben war, als ich mein Aussehen akzeptierte und als ich dann mich meinen Werten und Meinungen allen möglichen anderen Dingen zuwandte. Ich habe viel zu viel Zeit für meinen Körper verschwendet.«

Frage: Manchmal finde ich, dass ich ziemlich lange vor dem Spiegel stehe und meinen Körper betrachte. Was suche ich da wohl?

Antwort: Was auch immer Sie suchen, viele Leute machen das. Manchmal nur rein körperlich zur Überprüfung - um sich mit einem Ideal zu vergleichen, um abzuschätzen, wo die Stärken liegen oder herauszufinden, wie man die sogenannten kleinen Schwächen am besten verdeckt. Oft ist es aber mehr: Sich selbst im Spiegel beschauen heisst, sich fragen, wer man ist und was man ist. Was immer Sie in Ihrem Leben tun werden - mit diesem Körper wird es durchgeführt werden, mit Ihrem Körper - es ist also ganz vernünftig, sich die Zeit zu nehmen, über diesen Teil der Identität nachzudenken.
Das soll nun aber keineswegs heissen, dass Sie sich den Rest Ihres Lebens im Spiegel anstarren sollen.

Stand: 7.7.2004

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Jean van Koeverden, Sömmerringplatz 4, 55118 Mainz, Tel. 06131-618272